Liebe Eltern,
in diesem Jahr ist mir ein neues Wort begegnet: Influencer. Wahrscheinlich ist das Wort gar nicht so neu und ich hab es nur so spät entdeckt, aber tatsächlich war mir vorher nicht klar, dass das sowas wie ein Beruf ist – man macht viele Fotos, von sich selbst und den Dingen, die man macht, unternimmt, isst, anzieht, benutzt, postet diese bei Instagram und wird dann z.B. von den Herstellern der Produkte bezahlt, wenn man genügend „Follower“ hat. Offenbar ist das für ein paar ganz erfolgreiche Influencer ein Weg zu einem sehr hohen Einkommen und in den Reportagen dazu fallen die Worte „harte Arbeit“, „Stress“, „Konzept“ und tatsächlich auch „Vorbild“.
Influencer – das kommt vom englischen Wort für „beeinflussen“. Von was lasse ich mich beeinflussen? Was geschieht unbewusst und welchen Einfluss wähle ich ganz aktiv? Von was sollte mein Kind sich beeinflussen lassen? Ist ein Influencer wirklich das, was früher mit dem Begriff „Vorbild“ bezeichnet wurde?
Sankt Martin wäre ein schlechter Instagramer gewesen. Die Situation, die ihn „berühmt“ gemacht hat, war ganz sicher nicht sehr fotogen, nicht schön, nicht bunt: ein armer Mann, ein Bettler, wie wir immer wieder singen, halbnackt, hungrig, mitten in Eis und Schnee. Die Reaktion auf diese Begegnung – Martin hält sein Pferd an, nimmt sein Schwert, teilt seinen Mantel und gibt ihn dem Bettler – die hätte ein echter Influencer aber sicher gut dokumentiert, vielleicht sogar professionell ausgeleuchtet, sich selbst und das eigene Handeln ins rechte Licht gesetzt und möglichst unverzüglich gepostet. Nichts davon geschieht. Und trotzdem spricht es sich rum, zieht Kreise, hat Folgen. Menschen werden zu „Followern“, ohne dass Martin sich selbst in den Mittelpunkt stellt. Und als sie ihn schließlich als Bischof haben wollen, da versteckt er sich sogar (im Gänsestall und wird von den Gänsen durch lautes Schnattern verraten – selbst das hat Folgen bis heute – für die Gänse…)
War Martin ein früher Influencer? Wenn man sieht, wie viele Menschen heute noch über ihn sprechen und mit Laternen durch das Dunkel ziehen, sich an ihm ein Beispiel nehmen und zumindest an diesem Fest darüber nachdenken, was teilen bedeutet – dann könnte man das denken. Für mich ist er aber weniger ein Beeinflusser als ein Beeindrucker, gerade weil der „Erfolg“ nicht sein Ziel war. Und darin ist er mir, ganz altmodisch, ein Vorbild. Eines, das ich meinen Kindern gerne anbiete, genauso wie viele andere Heilige, bekannte und unbekannte, die das, was sie tun, nicht aus der Sorge um sich selbst heraus, sondern um des anderen willen tun. Nicht mit der Anzahl der möglichen Follower als Motivation, sondern für ihr jeweiliges Gegenüber. Die um Gottes Willen Vorbild sind.
Wer ist für Sie ein Vorbild?
...fragt Sie neugierig
Daniela Ballhaus