Wie so vieles in diesem Jahr wird Sankt Martin durch die Corona-Maßnahmen ganz anders als sonst. Aber Sankt Martin ist nicht abgesagt! Auch wenn in diesem Jahr die Kinder nicht mit Laternenumzügen durch die Straßen ziehen, fällt das Erinnern an einen der beliebtesten Heiligen in unserer Region nicht einfach weg. Gezwungenermaßen erinnern wir uns an Martin in diesem Jahr anders. Vielleicht kommen wir auf diese Weise dem Charakter des zurückhaltenden Menschen Martin von Tour sogar ein Stück näher als mit dem Rummel, dem Lichterglanz und den Menschenmassen, die wir üblicherweise mit dem Martinsbrauchtum verbinden.
Martin war kein großer Held, kein Entertainer, keiner, der im Mittelpunkt stehen wollte. Martin war einer, der ohne großes Trara das Richtige tat. Seine Begegnung mit dem frierenden Bettler geschah vermutlich mehr oder weniger unbeobachtet. Sie war nicht inszeniert, sondern spontan. Und trotzdem hat sie weite Kreise gezogen. Seine Zurückhaltung zieht sich durch. Er will nicht Bischof werden, versteckt sich sogar vor dieser Aufgabe. Dass er so berühmt geworden ist, verdankt er nicht einer besonders schillernden und öffentlichkeitswirksamen Persönlichkeit, sondern einer inneren Haltung der Fürsorge und Nächstenliebe, einer Bindung an sein Gewissen.
Wenn unsere Kinder in diesen Tagen in der Kita und in der Schule die Geschichte von Sankt Martin hören, dann steht dabei tatsächlich diese Haltung im Mittelpunkt. Die Erzählung und das Einfühlen in eine Haltung des Teilens, des Aufmerksam Seins, des Sich Verantwortlich Fühlens ist das eigentliche Erbe des Heiligen Martin von Tours. Natürlich bringen auch Laternenumzüge Freude in die Herzen vieler Menschen, auch Alte, Kranke, Einsame freuen sich über dieses Zeichen. Aber in diesem Jahr liegt es an uns, mit anderen Zeichen auszudrücken: Du bist nicht allein! Ich denke an dich! Ich helfe dir!
Martins Mantelteilung mit dem Schwert war auch zur damaligen Zeit sicher eine unkonventionelle Art der Nothilfe. Die aktuelle Situation fordert uns heraus, ähnlich kreativ zu sein wie Martin. Ich traue uns da viel zu – unseren Kindern erst recht! Lassen wir gemeinsam unserer Phantasie freien Raum und seien wir alle „ein bisschen so wie Martin“, wie oft gesungen wird: kreativ, spontan, mit offenen Augen und offenem Herz bei den Menschen, die uns brauchen – dann wird es auch ohne Martinszüge mit Blaskapellen wirklich ein Martinsfest.
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Daniela Ballhaus